Wie kaum eine Autorin ihrer Zeit hat Susanne Kerckhoff den Verlust der moralischen Integrität der Deutschen, ihre Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus und die Frage der daraus resultierenden geistigen Neuorientierung zum Mittelpunkt ihres literarischen Schaffens gemacht. Ein bedeutendes Zeugnis dieser Auseinandersetzung ist ihr kurzer, 1948 erschienener halbfiktiver Briefroman Berliner Briefe. In diesem Buch richtet Helene, eine im zerstörten Berlin lebende Frau, nach Kriegsende dreizehn Briefe an ihren nach Paris emigrierten jüdischen Jugendfreund Hans. Antworten ihres Freundes erhält sie nicht- so sind die Berliner Briefe eine aufrichtige und nichts beschönigende Selbstbefragung, ein beklemmender Rückblick und zugleich eine Bestandsaufnahme über die Gemütszustände der Deutschen, zwei Jahre nach Kriegsende und zu Beginn der Nürnberger Prozesse. «Eigentlich soll man ja als Buchvorstellende nicht sofort mit der Begeisterungstür ins Haus fallen, aber bei diesem Buch kann ich wirklich schwer an mich halten, weil ich halte es für ein Wunder und finde es einen Skandal, dass dieses Buch samt Autorin siebzig Jahre in kompletter Vergessenheit gewesen ist. (...) Für mich ist das eine der wichtigsten Auseinandersetzungen mit deutscher Schuld, die in der Nachkriegszeit geschrieben worden sind. (...) Ich kann es nicht fassen, dass man dieses Buch nicht kannte.« (Thea Dorn, Literarisches Quartett )